Des Winters Trägheit

„Menschliche Wärme kann den härtesten Winter überstehen.“ Karin Thießen
Es soll Menschen geben, die sich im Frühling über den Pollenflug aufregen, im Sommer die Hitze bemängeln, im Herbst über das feuchte Wetter schimpfen und im Winter über fehlende Energie klagen. Zu bedauern sind jene, deren winterliche Antriebslosigkeit physische oder psychische Ursachen hat. Anderseits gibt es viele Zeitgenossen, die lieber jammern, als Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wenn Sie zu jenen Putzmunteren gehören, welche, ob es nun regnet, schneit oder die Sonne scheint, das ganze Jahr über gutgelaunt sind aber doch die Gefühle der Winter-Grantler verstehen lernen wollen, hier meine Ratschläge, wie Sie sich in diese am leichtesten mental versetzen können.
- BEWEGUNG: Verzichten Sie auf jegliche Art von Sport oder Gymnastik einschließlich der Spaziergänge. Sollten Sie einen Hund besitzen, engagieren Sie einen Dogwalker.
- FRISCHE LUFT: Nachdem Sie alle sportlichen Aktivitäten gestrichen haben, die Sie an die sogenannte „frische“ Luft gebracht hätten, lüften Sie Ihren Wohnbereich so wenig wie möglich. Vermeiden Sie gute Düfte, sei es ein Parfum, ein Raumspray oder ein Strauß Blumen.
- ERNÄHRUNG: Essen Sie weder frisches Obst noch Salate, die darin enthaltenen Vitamine könnten Ihren Einstieg in den Zustand der Lustlosigkeit verzögern. Stattdessen legen Sie sich einen Vorrat an fetten und kalorienreichen Fertiggerichten an. Da der Genuss von Schokolade und Süßigkeiten glücklich macht, streichen Sie diese von Ihrem Speiseplan.
- LASTER: Übermäßiges Rauchen und Trinken sind zu empfehlen, Sie können die Dosis noch steigern in dem Sie starken Kaffee in Mengen trinken und die Nacht zum Tag machen.
- DAS „GRAUE MAUS“ PRINZIP: vermeiden Sie bei Ihrer Kleidung helle und fröhliche Farbtöne, wählen Sie stattdessen dunkle Bekleidung. Mit der Farbe Schwarz erzielen Sie nur dann eine Wirkung, wenn Sie kein Künstler oder Architekt sind. Achten Sie darauf, dass Ihre Wohnungseinrichtung „straight“, „cool“ und ohne bunten Firlefanz ist.
- LICHT: Setzen Sie sich nur ja nicht der Sonnenbestrahlung aus. Wo immer es in Ihrer Wohnung geht, verwenden Sie 20 Watt-Funseln und ziehen Sie auch tagsüber die Vorhänge zu.
- MEDIEN: Flotte Musik im Radio, ein Kabarett im Fernsehen oder gar eine Filmkomödie könnten Ihre Stimmung aufhellen, wählen Sie also brutale Kriminalfilme, nervenaufreibende Thriller oder blutrünstige Actionfilme. Das Fernsehen und die Filmindustrie bieten eine hervorragende Auswahl. Auch die Auswahl der Lektüre kann zum Unbehagen beitragen, besonders empfehlenswert sind die Berichte zur derzeitigen politischen Lage ob national oder international.
- LIEBE: Sind Sie Single, warne ich Sie auszugehen, es könnte sein, dass Sie Ihre Traumfrau oder Ihren Traummann treffen und auf die Grantler -Erfahrung „pfeifen“. Leben Sie in einer Partnerschaft, ziehen Sie sich zurück. Wenn dies aus räumlichen Gründen nicht geht, schweigen Sie Ihren Partner/ Ihre Partnerin an. Da Sex (meist) Spaß macht, verzichten Sie darauf.
- FREIZEIT: Stellen Sie jeglichen Kontakt zu Ihren Freunden und Freundinnen ein, nehmen Sie keine Einladungen an und streichen Sie alle Hobbyaktivitäten. Ganz absurd wäre es auch, jetzt eine Urlaubsreise anzutreten, Sie könnten Gefallen daran finden und das mühsam aufgebaute winterliche Unbehagen wäre auf einen Schlag dahin.
- NEID: Hadern Sie mit Ihrem Schicksal, auch wenn es nur bedeutet, dass Sie sich über den größeren Wagen Ihrer Nachbarn ärgern. Verfolgen Sie die Aktivitäten Ihrer Freunde auf Social Media und missgönnen Sie ihnen die gute Laune.
- SCHWÄCHEN: „Hand auf‘s Herz“ – irgendwas wird Ihnen schon an eigenen Defiziten einfallen. Wenn nicht, fragen Sie Ihren liebsten Feind, echte Freunde werden Sie vielleicht belügen, denn diese wollen weiterhin mit Ihnen befreundet bleiben. Kultivieren Sie Ihr Selbstmitleid, denn Ihre Umgebung wird Ihnen kein Mitleid entgegenbringen.
- GENUSS: Gönnen Sie sich nichts, was Ihnen Freude macht. Auf keinen Fall dürfen Sie „shoppen“ gehen, Sie könnten einer Versuchung nachgeben.
- MIMIK: Nur ja nicht Lächeln oder Lachen, Ihre Mitmenschen sollen, ja müssen sehen, dass der Winter Ihnen keinen Spaß macht. Beschweren Sie sich über das Wetter, egal wie es ist, ob nebelig, regnerisch oder ob die Sonne scheint. Irgendjemand wird Ihnen schon Recht geben.
Wenn Sie nun aber rasch wieder aus der selbst verursachten Rolle eines grantlerischen Stubenhockers herauskommen wollen, halten Sie es mit bayerischen Pfarrer und Naturkundler Sebastian Anton Kneipp (1821-1897)
„Die Natur ist die beste Apotheke“.
ILLUSTRATION: Vasitti
TEXT: Mag. Eva von Schilgen
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