Mit dem CTC (CircusTrainingsCentrum) haben circus-begeisterte Menschen in Salzburg seit knapp drei Jahren einen Ort, an dem sie professionell trainieren können. Doch die Initiatoren wollen mehr: Eine professionelle Zirkusschule.

„Im Circus gelingt nur gemeinsam etwas. Nur, wer gemeinsam an einer Vision arbeitet, kann etwas bewirken.“

Evelyn Daxner

Salzburg ist Circus-Stadt. Seit das Winterfest, Georgs Daxners Vision eines Cirque Nouveau, vor nunmehr bald zwanzig Jahren ins Leben gerufen wurde, ist Salzburg zu dem Zentrum zeitge- nössischer Circus-Kunst schlechthin in Österreich avanciert. Mit der Begeisterung für das Winterfest entstand bei vielen Kindern und Jugendlichen aber auch der Wunsch, die Kunst des Circus zu erlernen. Nur gab es weit und breit nichts, was dem entspro- chen hätte. Keine Schule, keine Ausbildung. Um Zirkusartist zu werden, musste man ins Ausland gehen.

Genau deshalb gründete Daxner gemeinsam mit seiner Frau Evelyn den Verein Zirkusschulen. Gemeinsam arbeitete man mit vollem Enthusiasmus an der Vision einer ersten österreichi- schen Zirkusschule. »Es braucht einfach sehr bald eine Förde- rung, um die Talente zu entwickeln«, so Evelyn Daxner heute. Die Zeit aber schien damals noch nicht reif dafür. Die Politik hörte zwar aufmerksam zu, doch zum entscheidenden letzten Schritt konnte oder wollte man sich nicht durchringen. Trotz- dem gelang es, wichtige erste Schritte zu setzen: So wurde etwa in der Volkschule in Anthering ein Schwerpunkt Circus- künste eingeführt. Sechs- bis Zehnjährige erhalten dort die Möglichkeit, bei circensischen Übungen erste Kenntnisse zu erwerben. Über das Antheringer Projekt lernte Evelyn Daxner das Trainerehepaar Brunhilde und Wolfgang Neumayer ken- nen. Gemeinsam bauten sie den Verein Motorik- Tanz- Artis- tik (MOTA) auf. Dieser entsprang einer Idee Brunhildes einen Weihnachtsworkshop »Jonglieren und Artistik« anzubieten. Im ersten Jahr brachte man dort in einer Kooperation mit der Volksschule der Franziskanerinnen in der Schwarstraße neun Kindern Artistik bei. Der Unterricht kam so gut an, dass im darauffolgenden Jahr schon 25 kamen, wieder ein Jahr später 50, dann 100 und so weiter. MOTA kam ins Laufen. Schließlich musste mitunter zwischen drei, quer über Salzburg verteilten, Hallen hin- und hergefahren und das ganze Equipment ein- und ausgeladen werden. Dass die Neumayers ebenso ange- tan von der Idee einer Zirkusschule waren wie die Daxners, lag auf der Hand.

Von Beginn an begeistert von der Vision war auch Wilfried Ha- ertl. Als Geschäftsführer des von Daxner gegründeten Vereins arbeitet er als Architekt und Berater an der technischen Um- setzung der Vision. Die Kräfte ergänzen sich gut: Was Haertl als Architekt an technischem Know-how beisteuerte, ergänz- ten Evelyn Daxner im Inhaltlichen und Wolfgang Neumayer im Training und dessen Umsetzung.

Nach dem so plötzlichen wie tragischen Tod Georg Daxners stellte sich dann die Frage: Was nun? Das Trio Evelyn Daxner, Wilfried Haertl und Wolfgang Neumayer entschloss sich fürs Weitermachen. Und tatsächlich – gut Ding braucht Weile – wurde die Unermüdlichkeit der drei Circus-Enthusiasten schließ- lich belohnt. In der Gnigl wurde ihnen ein Platz zur Verfügung gestellt. Ein passendes Zelt war schnell organisiert, denn Georg Daxner hatte neben seinem Circus-Enthusiasmus auch einen Zeltverleih betrieben. Wie es auszugestalten wäre, dafür haben sich die Betreiber in ganz Europa Zirkusschulen angeschaut. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Seit 2018 steht das Trai- ningszelt nun in der Gnigl. Es ist »ein Ort geworden, an dem

EVELYN DAXNER

man adäquat trainieren kann«, berichtet Neumayer stolz. An oberster Stelle stünden Gesundheit und Sicherheit. Denn: »Das Kapital der Artisten ist ihr Körper«, so Neumayer. 340 Kinder und 60 Erwachsene sind es, die unter Neumayers Ägide trainiert werden, ungefähr 60 davon in der Schwarz- straße, 280 im Zelt.

Die jüngsten der Trainierenden sind drei Jahre alt, nach oben gibt ́s kein Limit. Für Kinder und Jugendliche werden drei Leistungsgruppen geboten: Die Nachwuchsgruppe (6- bis 10jährige), trainiert zwei Mal die Woche zwei Stunden, die Aufbaugruppe (10- bis 14jährige) trainiert zwei Mal zweiein- halb Stunden, und die Intensivgruppe hat die Möglichkeit, vier Mal zweieinhalb Stunden zu trainieren. »Wenn uns Ta- lente in den allgemeinen Gruppen als besonders talentiert auffallen, sprechen wir die Eltern an und klären sie darüber auf, was es bedeutet, in die nächsthöhere Stufe zu wech- seln«, erzählt Neumayer. Es folgen Überlegungs- und Pro- bezeiten. »Wir wollen niemanden überfordern.« Wenn es zu viel wird, kann man auch wieder zurückwechseln. »Wir sind unheimlich froh, dass so viele junge Menschen und Erwach- sene das Zelt auch nutzen«, sagt Evelyn Daxner, »und sich so in ihrem Können und in ihrer Begeisterung weiterbilden.« Damit ist das Limit aber auch erreicht. Derzeit herrscht Auf- nahmestopp. Wer sich neu anmeldet, wird erst einmal auf eine Warteliste gesetzt.

EINE GESCHICHTE ERZÄHLEN

Was aber ist im CTC anders als beim Leistungsturnen? »Im CTC ist es anders als beim Leistungsturnen egal, ob der Bub oder das Mädel den Salto mit Schraube im Alter von 12 oder erst mit 18 kann«, so Neumayer. Dadurch könne man viel mehr auf die Neigungen eingehen. »Es geht bei uns nicht darum, einen Salto zu springen, sondern diesen Salto in eine poeti- sche Geschichte zu verpacken«, ergänzt Evelyn Daxner. Und: »Im Circus gelingt nur gemeinsam etwas. Nur wer gemein- sam an einer Vision arbeitet, kann etwas bewirken. Das ist das Wesen des Circus. Es geht darum, die Magie zu teilen.« Ent- scheidend sei beim Training, dass sich die Kinder wohl fühlen. Deshalb achte man auf die Qualität, vor allem im pädagogi- schen Bereich. »Die Eltern wissen, dass ihre Kinder bei uns gut aufgehoben sind.« Davon können sie sich u.a. bei gemeinsa- men Eltern-Kind-Workshops überzeugen.

Der erste Schritt ist also getan. Mit dem Zelt in der Gnigl gibt es einen Platz, an dem Jung und Alt in besonderer Atmosphäre trainieren können. Der nächste Schritt ist, an der Vision festzuhalten und eine professionelle Zirkusschule zu realisieren. Langziel des Triumvirats Neumayer-Daxner- Haertl ist es daher, eine an das CTC anschließende pro- fessionelle Ausbildung für ab 18jährige hier in Salzburg zu etablieren. In welcher Form und auf welchem Niveau, das stünde noch in den Sternen, aber daran arbeiten die drei mit Hochdruck. Es wird schwierig, das wisse man, aber »wir alle ziehen an einem Strang.« Evelyn Daxner bezeichnet das als eine »einmalige Herausforderung«. Aber in langen Zyklen zu denken sei man gewohnt.

„Es geht bei uns nicht darum, einen Salto zu springen, sondern diesen Salto in eine poetische Geschichte zu verpacken“

Evelyn Daxner

FOTOS: ANDREAS KOLARIK / TEXT: MARKUS DEISENBERGER