Kunst bei der Arbeit

Wir wollten Kunst einmal dort sehen, wo sie wirklich entsteht. Dort wo der Pinsel auf die Leinwand gedrückt wird und der Funke beim Schweißen entsteht. Keine grell ausgeleuchteten Galerien also, sondern schummrige Werkstätten und staubige Studios.
Zu Besuch bei vier Salzburger KünstlerInnen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Eines aber ist ihnen gemeinsam: Sie arbeiten an ihren Arbeiten.
Kemal Seyhan: Im Dunkeln denken
Ein Atelier in Gneis. Der international angesehene Künstler Kemal Seyhan trägt mit einer Rolle Farbe auf eine Leinwand auf. Er wirkt dabei äußerst konzentriert und geduldig, in eine Art meditative Trance versunken.
Warum Salzburg? „Berlin wäre zu einfach gewesen“, lacht er. Nein, wie so oft war es die Liebe, die ihn hierherbrachte. Seine Lebensgefährtin ist Salzburgerin und so pendelt er zwischen Istanbul und Salzburg. Es sei schön an einen neuen Ort zu kommen, schwärmt er
„Wenn du in der Phase des Aufbaus bist, hast du eine ganz andere Energie.“ Man hinterfrage Dinge, die man bisher gemacht hat, und sei mehr auf das Experiment gerichtet. „Ich habe den Eindruck, dass ich hier gut arbeiten kann.“
Kemal arbeitet weiter. Jeder Handgriff sitzt. Eine einfache, reduzierte Aktion sei es, erzählt er, die wiederholt wird. Immer und immer wieder malt er so Gleiches übereinander. „Die Repetition ist wesentlicher Bestandteil meiner Kunst.“ Mal sind es Punkte wie hier, dann wieder Flächen, die aufgetragen werden, manchmal bis zu sechzig Schichten übereinander.
„Oft sehe ich gar nicht, was ich da auftrage. Es ist, als ob ich im Dunkeln malen würde.“ Blind, aber denkend, arbeite er, so Seyhan. Erst nachdem er es ausreichend oft und mit dem richtigen Timing wiederholt habe und dann zurücktrete, sehe er, was daraus geworden ist. Und genau so geht es auch dem Betrachter, wenn er seine Bilder aus der Distanz betrachtet: Eine besondere räumliche Tiefenwirkung entsteht. Erstaunlich, wie viel Unterschiedliches man in einer vermeintlichen Einheit erkennen kann. Aber nicht nur die räumliche, auch die zeitliche Ebene wird fühlbar. „Man beginnt die Zeit, die investiert wurde, nachzuvollziehen“, so Seyhan. „Dadurch wird die Kunst transparent.“
Tamara Volker: Urbane Objekte
Eine Wellness-Oase wie das Aqua Salza in Hallein ist eine wohl eher ungewöhnliche Wirkungsstätte für eine bildende Künstlerin. Genau hier aber hat Tamara Volgger das Duschhaus bemalt.
Wer dampfend aus der Sauna kommt, wird von ihrer urbanen Kunst überrascht. Zu sehen ist ein Querschnitt durch die Erde, der für die Hitze der Sauna steht, Darüber ein Eisvogel, der die Frische symbolisiert, die man nach der Sauna auf dem Weg zur Dusche herbeisehnt. „Die Kunst muss zum Objekt passen“, sagt sie. Ob eine Bar, ein Chemiewerk oder das städtische Seniorenheim, man müsse offen gegenüber seinen Auftraggebern sein, gut zuhören, und dann versuchen, die fremden Wünsche mit dem eigenen Stil in Einklang zu bringen. Klingt einfacher als es wohl letztlich ist.
Angefangen mit dem Sprayen hat sie hobbymäßig mit 14. „Ich hab´ mich für die Hip Hop-Kultur interessiert und bin ins Sprühen reingekippt“, erzählt die gebürtige Zellerin.
Der Konflikt mit dem Gesetz war unausweichlich. Beim Verschönern der Bahnhofsunterführung wurde sie inflagranti erwischt. Heute bemalt sie unter anderem auch Zugwaggons, aber offiziell und gegen Bezahlung.
Dass sie nach Abschluss des Soziologiestudiums ihr Hobby zum Beruf machen konnte, habe sich so ergeben. „Die Aufträge wurden einfach immer mehr.“ Die Kunsthilfe Salzburg habe sie unterstützt, indem sie Ausstellungsmöglichkeiten vermittelt, Künstleraustausch ermöglichte und bei der Erstellung einer Homepage und anderen Dingen beriet, und so half, eine gewisse Bekanntheit zu erzielen. In Salzburg begegnet man Volggers Kunst heute auf Schritt und Tritt: In der Pepe-Bar etwa oder im Paradoxon, wo sie Chefkoch Martin Kilga als Piraten verewigte. Nebenbei hält sie Workshops für Schulen ab – eine willkommene Alternative zum herkömmlichen Kunstunterricht, die von den Jugendlichen auch großartig angenommen werde.
Martin Rehrl: Die Kunst der Fuge
Ein Steinbruch bei Golling. In einer ehemaligen Biker-Werkstadt arbeitet Martin Rehrl an seiner aktuellen Skulptur. „Raw Art“ nennt er das, was er tut. Und in der Tat geht es hier rau zu. Wenn der Metallkünstler Hand anlegt, sprühen die Funken. Alle seine Werke entstehen auf die gleiche Art und Weise: Einzelne Eisenstäbe werden von Hand in die gewünschte Form gebogen und dann verschweißt.
Um eine wirklich glatte Oberfläche zu erhalten, muss danach auch jede einzelne Fuge verschweißt werden. Ein enormer Aufwand. An einer Skulptur arbeite er schon mal an die 200 Stunden, erzählt der Halleiner. „Aber so lassen sich Formen erreichen, die sich sonst mit Metall nicht erreichen lassen.“
Angefangen hat alles in der Werkstatt seines Vaters. Da begann er vor sechs Jahren herum zu probieren. Dann schweißte er seiner Freundin zu Weihnachten einen Hirschkopf zusammen. Der gelang so gut, dass ihn die Gemeinde beauftragte, einen weiteren Hirschkopf für Marcel Hirscher anzufertigen. Als ihm der zu seinem sechsten Gesamtweltcupsieg feierlich überreicht wurde, berichteten die Medien darüber. Erste Aufträge kamen, und auch die Kunsthilfe griff ihm unter die Arme. „Da hab´ ich zum ersten Mal gemerkt, dass ich mit meinem Talent in der Kunst etwas erreichen könnte.“ Daran zweifelt heute niemand mehr.
Hätte er uns nicht bereits erzählt, woran er gerade zu Gange ist, man könnte es, wie er da mit vollem Elan an einem riesigen Engel schweißt, für pure Science Fiction halten. Es wirkt beinahe, als verhelfe er einem Androiden zum Leben. Und irgendwie trifft das auch den Punkt: Ob Engel, Löwen oder schweigende Könige, es sind Phantasie- und Fabelwesen, die in Martins Kopf entstehen, und denen er auf spektakuläre Weise zum Leben verhilft.
Günter Edlinger: Ein Leben für den Rock
Eine Fülle an beeindruckender Farbenpacht empfängt einen, wenn man Günter Edlingers Studio in Grödig betritt. Jede Menge schrille Pop-Art und bunte Skulpturen sind es, die einen sofort in ihren Bann ziehen. Das war nicht immer so, erzählt er. Früher, als er den Drogen verfallen war, habe er tiefe, schwarze Bilder gemalt. Die hält er zwar heute, nachdem er längst clean ist, noch für besonders gut. Damals aber wollten die Leute wenig davon wissen.
Doch es ist ein nur vermeintlicher Kontrast. Denn auch die neuen, farbenfroheren Werke Edlingers haben Tiefe. Durch spezielle Techniken, u.a. mit Folien und ganz speziellem Harz,
ergibt sich eine Textur, die je nach Lichteinfall und -intensität starke Veränderungen bewirkt. Ein und dasselbe Bild entwickelt so je nach Beleuchtung mehrere Leben. Das seien auch keine
herkömmlich-klassischen Maltechniken, wie man sie auf der Universität lernt, erzählt Edlinger. „Die machen das alle doch das gleich. Deshalb auch findet sich niemand mehr in der Kunst wieder.“
Es sei immer besser, der Herrgott gibt dir einen Fußtritt. So werde die Kunst spannender, echter. Obwohl ihn immer das Zeitgenössische einer Niki de Saint Phalle, eines Tom Wesselmann oder Robert Rauschenberg faszinierte, ist Edlinger Autodidakt. Mit einzigartiger Kunst lasse sich nämlich auch Geld verdienen. „Wenn etwas besonders ist, spüren die Leute das, und dann wollen sie es auch.“ Obwohl schon mehr als dreißig Jahre im Geschäft, ist Edlingers Produktivität ungebrochen. Zuletzt hat er zwei Kunstbücher in einem Jahr herausgebracht. Dabei wirkt er äußerst entspannt. Sein Rezept?
„Ich hab´ ein Leben hinter mir, hab´ es inhaliert“, sagt er. „Ich war Rock´n´Roll.“ Genau da müssen wir widersprechen. Edlinger ist Rock´n´Roll! Unnachgiebig, stur, und immer auf der Suche, „um etwas so zu machen, wie es noch nicht gemacht wurde.“
FOTOS: ANDREAS KOLARIK / TEXT: MARKUS DEISENBERGER
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