Kräuter wachsen nur auf der Almwiese? Keineswegs. Auch die Stadt hat einiges zu bieten. Ein Rundgang mit Apothekerin Christina Hofer-Dückelmann zeigt, welch unerwarteter Reichtum an Nutzpflanzen in unserer unmittelbaren Umgebung auf uns wartet.

 

Wenn Mädesüß blüht, ist das spektakulär. Ein intensives Leuchten taucht die sonst grünen Wiesen in duftiges Weiß. »Früher haben sich die Mädchen Kränze daraus gebunden und man hat den Honigwein damit gesüßt«, erzählt die klinische Pharmazeutin Christina Hofer-Dückelmann, die sich irgendwann als Gegenpol zur Schulmedizin der Pflanzenkunde verschrieben hat und zur »Kräuter-Hexe« wurde, wie man salopp sagt. Unweit des Schlosses Leopoldskron, wo es feuchte Wiesen gibt, fühlt sich die Pflanze wohl. Heute verarbeitet man sie zu süßem, wohlschmeckenden Sirup und Bier, oder in Alkohol eingelegt zu Kopfschmerztinktur, denn Mädesüß enthält Salicylsäure, die schmerzlindernd wirkt und Fieber absenken kann.

Nach Leopoldskron zieht es uns zu trockenen Untergründen. Die finden wir auf dem Weg zum Stift Nonnberg. An der Mauer oder in Mauervorsprüngen, »dort, wo die Sonne diese Tage voll hinknallt«, fühlt sich der Beifuß pudelwohl. Er ist genügsam, mag es trocken und karg. Die Römer haben ihn sich ans Bein gebunden oder in die Schuhe eingelegt, um lange Märsche durchzustehen. Daher der Name. Unten grau, oben graugrün mit unspektakulären Blüten, ist er mit der Kamille verwandt. Zwar enthält er nicht so viele Bitterstoffe wie der Wermut, aber immer noch genug, um fettes Essen wie Gänsebraten bekömmlicher zu machen. Zu Balsam verarbeitet lässt sich mit diesem magischen Kraut »die Beckenkraft der Frau befeuern«, d.h. er wärmt den Unterleib und ist gut für Liebeszauber und Fruchtbarkeit.

Auf einer Wiese oben am Nonnberg stoßen wir auf Königskerzen und Nachtkerzen – das Öl der Letzteren hilft gegen Neurodermitis, aber auch Mohn und Mutterkraut – die Arzneipflanze des letzten Jahres. Ihr Name rührt daher, dass sie seit der Antike ein Mittel bei der Geburt war. Gut wäre sie auch bei Migräne, »weil sie die Ätiologie eines Migräneanfalles zu vermeiden hilft«, verrät uns die Spezialistin. Als Prophylaxe verabreicht, brauchen Migräne geplagte weniger Chemie. Direkt daneben: Schafgarbe, ein Allheilmittel ähnlich der Kamille, das unter anderem die Verdauung fördert und als Tee gegen Magenverstimmungen hilft. »Wenn man sie destilliert, hat das ätherische Öl eine wunderbar blaue Farbe.« An der Mauer entlang wachsen Brennnesseln. »Mit der Brennnessel kann man überleben«, versichert Hofer-Dückelmann. Voll von Mineralstoffen sei sie, enthalte überdies Eiweiß, Fett und Kohlehydrate. Die Samen, die man röstet und entweder so isst oder in Honig einrührt, dienen der Rekonvaleszenz und Manneskraft. Sie wäre die wichtigste Pflanze zur Blutreinigung und wirke auf schonende Art entwässernd. Die Alten bekämpften mit den Brennhaaren Rheuma.

Vom Nonnberg wandern wir daraufhin Richtung Festung. Überall blüht dort der Holler. Wenige wissen, dass er, abgesehen von seinem Wohlgeschmack, eine tolle Grippepflanze ist. »Wie die Lindenblüten lässt er einen schwitzen, wodurch das Immunsystem zur Hochform aufläuft und gewisse Bakterien erst abgetötet werden«, so Hofer-Dückelmann. Doch das war noch lange nicht alles. Wir finden auch Stinkenden Storchenschnabel, dem antibiotische Wirkung zugeschrieben wird. In der Volksmedizin wurde er als »Kinderbringer« in Säckchen unters Bett gelegt.

Auf dem Mönchsberg hinter der Stupa sucht Hofer-Dückelmann nach Frauenmantel und wird fündig. Eine geheimnisvolle Pflanze, schwärmt sie, die es in der Früh zu finden gilt. Dann ist die Blüte von einem Kranz aus Guttationstropfen umgeben. Mit Schafgarbe und Gänsefingerkraut wird sie zu einem Menstruationstee verarbeitet. Durch die richtige Mischung und das Zusammenwirken der Inhaltsstoffe würden die Pflanzen ihre Wirkung erst voll entfalten. Hofer-Dückelmann findet noch Teufelskralle, deren afrikanischer Verwandter bei Rheuma eingesetzt wird, und Waldgeißbart. Wir sind überwältigt von all den Wirkstoffen und Legenden. Doch was ist Geschichte, was Wahrheit, fragen wir? Das sei einfach. Es gibt die Volksmedizin, die in Überlieferungen jeder Pflanze eine ganze Menge von Wirkungen zuschreibt, und dann gibt es das, was auch der wissenschaftlichen Überprüfung standhält: Der nachvollziehbare Effekt.

Wieder unten von den Stadtbergen zieht es uns noch an den Almkanal. Dort wächst der Baldrian. Den brauchen wir jetzt auch zur Beruhigung nach all der Aufregung.