Jesper Munk fing als Straßenmusiker an. Heute füllt der Sänger und Gitarrist mit seiner Mischung aus Blues, Soul und Rock die großen Hallen. Mit vision.salzburg sprach er über Komfortzonen, Schreibblockaden und die unantastbare Aura des Blues.

  

Im Blues gibt es das Klischee, dass man nur einem, der vom Leben gezeichnet ist, zutraut, über das Leben zu singen. Und dann kommt da ein junger, blonder Typ aus München und spielt den Blues. Wie schwer war es anfangs, ernst genommen zu werden?

Ich glaube, die meisten Leute fahren auf Kontrast mehr ab als auf Dinge, die nah beieinander liegen. Und in der Popmusik hatten trotz afroamerikanischen Historie immer Weiße den größten Erfolg. Also gibt es da ziemlich viele unfaire Vorteile auf meiner Seite.

 

Du hast in München am Gärtnerplatz und in der Fußgängerzone als Straßenmusiker begonnen. Wie sind Deine Erinnerungen an diese Zeit?

Das hatte zunächst einmal einen finanziellen Hintergrund: Ich arbeitete damals in einer Gastwirtschaft, und im Sommer lief das Geschäft schlecht, weil wir keinen Biergarten hatten. Also hab´ ich nach einer Alternative gesucht, um ein bisschen Kohle zu verdienen. Und natürlich war das eine super Übung. Ich konnte meine Songs ausprobieren. Das hat sich jedenfalls als ziemlich harte Schule herausgestellt.

 

Inwiefern?

Die Leute kommen nicht wegen dir. Deshalb ist es eine völlig andere Herausforderung als bei einem Konzert, wo die meisten Leute ja da sind, weil sie deine Musik mögen.

 

Du bist mit dem neuen Album weg vom großen Label gegangen. Ein bewusster Schritt?

Sagen wir mal so: Es ist darauf hinausgelaufen. Ich hab Dinge, die mir angeboten wurden, abgelehnt, und sie haben mein nächstes Album abgelehnt. Jetzt mach ich mein Label selber. Eigentlich ist es genauso gelaufen, wie es sein sollte. Keine Überraschung.

 

Blues ist weder heute noch damals, als du anfingst, die Musik, die sich am besten verkauft. Wie schwierig war der gemeinsame Weg mit einem Major-Label?

Ich kann mich im Nachhinein kaum beschweren. Ich wurde weitgehend in Ruhe gelassen, hatte für zwei Jahre Narrenfreiheit. Dafür bin ich dankbar, weil es das heute nicht mehr oft gibt: Dass man finanzielle Unterstützung bekommt, ohne dass groß viele Leute mitquatschen. Aber wenn meine Musik mal experimenteller, mal ruhiger wurde, lief es halt nicht so gut. Denn letztlich geht es bei einem Major-Label Zahlen und nicht darum, wie man einen Künstler hochzieht, der außerhalb seiner Komfortzone operieren will. Mir fällt das schreiben ohne dieser großen Company im Hintergrund jetzt leichter.

 

Warum? Weil man weniger Druck verspürt?

Wenn man viel mit Leuten reden muss, die mit Musik wenig zu tun haben, ist das schon komisch. Der zweite Teil des Wortes Musikbusiness hat mit dem Kern meiner Arbeit, der Musik, ja nichts zu tun. Und selbst wenn man sich gegen etwas entscheidet, weil man sich nicht beeinflussen lassen will, lässt man sich, wenn man es aus Trotz tut, ja auch beeinflussen. Man wird, ohne es zu wollen, manipuliert, und das wirkt sich auf die Musik aus. Man muss darauf achten, dass es möglichst wenig Faktoren gibt, die deine Musik manipulieren.

 

Du hast Musik mal als eine riesige Freiheit bezeichnet, die sich jeder nehmen könne. Diese Freiheit scheint Dir besonders wichtig zu sein.

Es gibt nichts in meinem Leben, was so eine Narrenfreiheit genießt wie die Musik. Du lernst zwar viel darüber, die Erfahrung nimmt zu. Letztlich kann ich mich aber immer wieder dazu entscheiden, alles zu vergessen und es wie ein Kind angehen. Das hat auch eine tolle therapeutische Wirkung.

 

Du hast Dich mit dem Album „Favourite Stranger“ in einem relativ jungen Stadium deiner Karriere neu erfunden, indem Du weg vom Blues und Hin zum Soul gingst. Was waren die Gründe dafür?

Mir war klar geworden, wie respektlos afroamerikanische Musik von Weißen ausgebeutet wurde. Deshalb musste ich für mich herausfinden, weshalb ich diese Musik mache, was ich davon darstellen kann und was ich aus Respektgründen besser in Ruhe lassen sollte. In Berlin hat sich bei mir auch viel am Gehör getan. Neue Interessensgebiete kamen dazu.

 

Soul gilt aber auch nicht gerade als weiße Musik…

(lacht) Richtig. Aber Blues ist schon noch mal was anderes. Er war das erste Kunsthandwerkszeug der afroamerikanischen Gesellschaft im weißen Amerika. Deshalb hat er eine so unantastbare Aura. Meine Musik war nie respektlos gemeint, aber wenn ich heute bluesige Songs spiele, wird das mit großem Respekt ausgeführt. Und mit Hintergrundwissen und nicht als ignoranter Versuch, männlich zu klingen.

 

Wo verläuft die Grenze? Bei der Coverversion eines Mississippi-Delta-Klassikers?

Schwierige Frage. Coverversionen dienen ja auch dazu, jemandem zu zeigen, was einen selbst gepackt hat. Es geht ja auch darum, diese Musik weiterzutragen und das kann mit einem Cover toll funktionieren. Richtige Antworten, fürchte ich, gibt es dafür nicht. Es ist eher ein Bauchgefühl, dass einen mal so, mal so entscheiden lässt. Und man hofft, dass man niemandem auf die Füße tritt. Wir leben in einer sehr sensiblen Zeit und ich halte die Übersensibilität für wichtig, weil wir viel zu lange zu ignorant waren.

 

Inwiefern hat Dich Berlin verändert?

Mit meiner damaligen Freundin habe ich eine ziemliche Veränderung durchgemacht, wurde deutlich sozialer. Eine Zeit lang habe ich zu schreiben aufgehört, nur Konzerte gespielt und sozusagen verwaltet, was da war. Es kamen keine Songs zustande, und ich habe sehr daran genagt. Berlin fordert einen mehr. Es drängt einen mehr, rauszugehen.

 

Wie hast Du die Schreibblockade wieder in den Griff bekommen?

Ich hab´ mal ein Interview mit Nick Cave gelesen, in dem er nach dem Schreiben gefragt wurde. Da wurde ich hellhörig. Er meinte, dass er sich von acht bis fünf ins Büro setze. Er geht einfach jeden Tag in die Arbeit. Genau das hab´ ich dann auch gemacht. Ich hab´ mich hingesetzt. Wenn man sich ein wenig dazu zwingt, wird einem deutlich klarerer, dass es deine Lebensaufgabe ist. Auch wenn man Stunden lang nur die Wand anstarrt.

 

Die Verzweiflung gehört dazu?

Allerdings.

 

Es gehe in Deiner Musik darum, den kleinen Gefühlen großen Raum zu geben, sagst Du. Was genau meinst Du damit?

Keiner hält mehr Gefühle aus. Man lenkt sich schnell ab, damit man es nicht fühlen muss. Da wollte ich mich ein wenig dagegenlehnen. Es geht mir darum, mehr Platz und mehr Zeit für kleine Gefühle zu schaffen.

 

War oder ist Blues für Dich auch bewusst gelebte Gegenkultur?

Schwer zu sagen, aber für mich hatte Blues immer auch eine Energie, die an Punk rankommt. Aber eigentlich geht es her um Katharsis und Heilung. Blues heilt.

 

Was können die Leute in Salzburg erwarten?

Ich nehme immer auch ganz Neues mit und probiere es aus, weil ich ungern in festgefahrenen Formen performe. Deshalb gibt es gibt jeden Abend eine neue Setlist. jeder Abend bringt Überraschungen.

 

  1. Oktober 2019 · 23:30 · yoco – Jugendbegegnungszentrum

 

  1. Oktober 2019 · 22:30 · Universität Mozarteum – Theater im Kunstquartier

Jesper Munk (geb. 1992) galt lange als das Blues-Wunderkind aus München. Dann ging er nach Berlin, spielte melancholischen Blue-Eyed-Soul und erfand sich so neu. Sein aktuelles Album heißt „Darling Colour“ schlägt zwar auch eher ruhige Töne an, klingt aber doch wieder mehr nach Blues. Zur Musik brachte ihn sein Vater, ein Berufsmusiker. „Er hat mir die Sprache beigebracht“, sagt Munk.

 

FOTOS: OLIVER KRINGS TEXT: MARKUS DEISENBERGER