»MAN MUSS SICH KLEINE INSELN SCHAFFEN«

Die Kabarettistin Monika Gruber nahm ein Jahr Auszeit. Dann kam Corona. Was das mit ihr machte, wieso Sie während des Lockdowns ein Buch schrieb und wie wichtig es ist, ab un zu eine Gaudi zu haben erklärte uns die bayrische „Humorarbeiterin“ auf ihre eigene unnachahmliche Art.

Sie haben sich Ende letzten Jahres eine Auszeit genommen, ein »Sabbatical«, wie man heute neudeutsch sagt. Sinn und Zweck solch einer Auszeit ist, dass alles so weiterläuft wie bisher, man sich selbst aber aus dem Geschehen rausnimmt. Dann kam aber Corona. Plötzlich lief nichts mehr so wie bisher und viele, wenn nicht alle waren in der Auszeit. Wie hat sich das angefühlt? Waren Sie sauer auf das Virus, das Ihre Pläne solchermaßen durchkreuzte?

Ich widerspreche: Sinn und Zweck eines Sabbaticals ist auch, dass man sich eine Auszeit von sich selbst nimmt und von der eigenen vermeintlichen Wichtigkeit. Ich bin oft gelangweilt von mir selber, und da war es schön, einfach nach Italien zu reisen, sich für einen Sprachkurs anzumelden, um sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit den eigenen Befindlichkeiten. Und dann hat Corona dieses mediterrane Lebensgefühl jäh im zarten Pflänzchendasein erstickt. Aber wie könnte ich sauer auf ein Virus sein? Ich bin lediglich sauer auf mich, wenn zum Beispiel mein Schweinsbraten keine g’scheide Krustn bekommt oder die Knödel zu fest werden, weil ich weiß: Ich werde nie so gut kochen können wie die Mama!

Hatten Sie von Anfang an vor, ein Buch zu schreiben oder ist dieser Plan erst Coronabedingt entstanden?
Ich hatte mit meinem Co-Autor Andi Hock, der übrigens ein lieber Spezl von mir ist, bereits Mitte 2019 beschlossen, dass wir ein Buch zusammen schreiben werden. Daher ist es kein reines Corona-Buch, obwohl wir am bösen »C-Wort« natürlich nicht vorbeikamen. Das bedingte der Titel, der schon 2019 feststand, denn Depperte gibts ja nicht erst, seit es Corona gibt.

Wie komisch ist Corona? Darf man über etwas lachen, das Tausende arbeitslos macht oder (noch schlimmer) sterben lässt?
Corona per se ist sicherlich so lustig wie ein islamistisch motiviertes Attentat, aber das Verhalten der Mitmenschen changiert von verantwortungslos über skurril bis zu vollkommen hysterisch und nicht nachvollziehbar. Da ist alles dabei. Das ist ein bissl wie ein Parteitag bei den Grünen.

Hat sie Corona politischer gemacht? Man hat den Eindruck, Sie sind noch bissiger geworden.
Ach, wissen Sie, ich war immer schon ein sehr politischer Mensch, es hat nur keiner gemerkt.

Die meisten, die ins Kabarett gehen um über Idioten zu lachen, wähnen sich selbst weit weg von der Gefahr, selbst auch als idiotisch zu gelten. Aber: Sind wir nicht alle Idioten?

Wenn Menschen im Kabarett sitzen und im Grunde genommen über ihre eigenen Unzulänglichkeiten lachen, ist das doch eine sehr schöne Form vom Selbstironie, die ich sehr schätze. Außerdem sagte Meister Eder vor über 30 Jahren zu seinem Pumuckl: »Es muass aa Deppen gebn, aber die wern immer mehr.« Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Haben Sie an sich selbst auch idiotische Züge entdeckt, indem Sie coronabedingt hamsterten, hysterisch reagierten etc.?

Bei meiner Rückkehr aus Italien bin ich mit Plastikhandschuhen (zusätzlich zum Mundschutz) in den Supermarkt gegangen, weil ich nicht wusste, ob ich positiv bin, und ich daher niemanden anstecken wollte. Aber seit ich weiß, dass dieses Virus offensichtlich nicht ganze Landstriche dahinraffen wird, lasse ich solche Albernheiten, und gehe wieder zu dem über, was ich immer schon gemacht habe: Beim Nachhausekommen als erstes Hände waschen. Fertig.

Corona spalte die Gesellschaft mehr als die Flüchtlingskrise, sagen Sie. In der Tat war es fast unmöglich, die Sinnhaftigkeit mancher Maßnahmen anzuzweifeln. Man wurde schnell ins Eck der Verschwörungstheoretiker gerückt oder es wurde einem, noch schlimmer, vorgeworfen, man nehme durch eine kritische Haltung in Kauf, dass Menschen sinnlos sterben. Bei der Flüchtlingswelle war es ähnlich: Entweder »Refugees welcome« oder AFD/FPÖ. Es scheint, als wäre uns die Diskussionskultur abhandengekommen, oder? Was denken Sie, ist dafür verantwortlich?

Unsere Wohlstandsverwahrlosung: In Ermangelung von wirklich existenziellen Problemen werden Randthemen wie Veganismus, Gender-Pipi-Sprache etc. in fast schon religiöser Manier moralisch so überhöht, dass kein vernünftiger Diskurs mehr möglich ist: Du bist entweder pro oder contra, gläubig oder ungläubig, gut oder böse. Dieser Irrsinn wird auf alle Themen übertragen, was zur Folge hat, dass niemand mehr dem anderen richtig zuhört und sich tiefe Gräben sogar durch die kleinste gesellschaftliche Parzelle, nämlich die eigene Familie, ziehen.

Kann das Kabarett einen Beitrag leisten, dass wir uns wieder irgendwo in der Mitte treffen, Dinge diskutieren, die wir eine Zeit lang nicht mehr diskutiert haben?
So optimistisch bin ich nicht, aber es freut mich, dass Sie offensichtlich noch diese Resthoffnung besitzen.

Im Buch sagen Sie scherzhaft, Sie führen einen Gutteil Ihres Alkoholkonsums auf das Niveau deutscher Polit-Talkshows zurück. Wann haben Sie zuletzt eine österreichische Diskussionsrunde verfolgt? Muss länger her sein, sonst wären Sie vermutlich längst Alkoholikerin.

Ich schaue keine Talkshows mehr. Ich werde nächstes Jahr 50 und habe mir meine verbleibende Restlebenszeit auf einem Meterstab meines Maurers, der gerade an meinem Keller arbeitet, angeschaut. Daher mein Ratschlag: Verbannen Sie sowohl Meterstäbe als auch Talkshows aus Ihrem Leben. Zu Ihrem eigenen Wohlbefinden.

Sie sprechen die (gelinde gesagt) etwas merkwürdige Prioritätensetzung in der Krise an. In Österreich gewinnt man den Eindruck, Skifahren sei wichtiger als Theater oder politisches Kabarett. Was sagt uns das über eine Gesellschaft?

Ich bin kein Fan davon, verschiedene Wirtschaftszweige gegeneinander auszuspielen. Obwohl viele Politiker offensichtlich immer noch nicht verstanden haben, dass Teile der freien Kulturszene durchaus keine verhärmten Bittsteller sind, die ganzjährig an der Titte der staatlichen Wohlfahrt hängen, sondern vielmehr eine gut funktionierende Maschinerie, die jährlich Millionen umsetzt. Dennoch ist es natürlich hart für Musiker, Künstler und Humorarbeiter wie mich mit dem Stempel »systemirrelevant« von der Bedeutsamkeit her irgendwo zwischen Restaurantkritiker und Physiotherapeut für Koi-Karpfen (gibt es übrigens wirklich!!) eingeordnet zu werden.

Corona wäre ja die Chance, viele Berufe – ob nun systemrelevant oder nicht – aufzuwerten. Wird nicht passieren, sagen Sie. Auch in Zukunft werden die »systemrelevanten« Berufe daran erkennbar sein, dass sie unterbezahlt sind. Warum?

Weil Kranken- und Altenpfleger, Sanitäter, Polizisten etc. keine Lobby haben. Sämtliche Studien in Deutschland belegen beispielsweise, dass in den letzten Jahren die tätlichen Angriffe auf Rettungs- und Einsatzkräfte sowie Polizei eklatant angestiegen sind: Sanitäter und Polizisten werden nicht nur in ihrer Arbeit behindert, sondern beschimpft, bespuckt, tätlich angegriffen und diffamiert. Und was macht die Politik? Verteidigt sie diese Menschen, die täglich für ein lächerliches Gehalt ihren Schädel für uns hinhalten? Nein. Sie initiiert stattdessen eine Rassismus-Studie für die Polizei. Politiker jeglicher Couleur haben gar nichts kapiert, wissen nichts vom Lebens- und Arbeitsalltag dieser Menschen: Die lassen sich täglich von ihrem Fahrer in ihr Raumschiff chauffieren und glauben, sie wissen, wie »das gemeine Volk« tickt, nur weil sie einmal im Monat der Garderobendame in der Staatsoper Trinkgeld geben oder im Feinkostladen ihres Vertrauens mit dem Sommelier über Amarone parlieren.

»Ich bin zuständig für begleitendes Lachen und nicht für betreutes Denken.«

Kultur sei nicht systemrelevant, sondern »bestenfalls der Blinddarm oder der Arsch« im System, sagen Sie. Das ist natürlich erst mal lustig, da klingt aber schon auch Bitterkeit mit, oder?

Für Bitterkeit ist in meinem Haus der Campari zuständig. Ich verspüre eher eine gewisse Desillusionierung, die in meinem Fall dazu führt, dass ich mir andere Betätigungsfelder suche, wie das Schreiben, meinen neuen Online-Shop oder das Kochen.

Sie greifen vielfach Gender-Themen auf und machen sich darüber lustig. Ich nehme an, Sie haben von Emma noch kein Angebot erhalten, eine Kolumne zu schreiben. Was nervt Sie an der politischen Korrektheit so?

Ich habe neulich ein Interview mit der Performance-Künstlerin Marina Ambramovic gelesen, die meinte, sie möge den Begriff Feministin nicht, da es für sie eh klar sei, dass Frauen das stärkere Geschlecht sind. Ich mag den Begriff »Feministin« auch nicht, weil er für mich nach Achselhaaren, Achtsamkeitsseminaren und Eso-Klamotten klingt. Dabei halte ich mich durchaus für sehr emanzipiert und bin eine Frauen-Frau, die furchtbar gern mit Frauen zusammenarbeitet und andere Frauen darin unterstützt, ihre Ziele zu erreichen. Aber ich denke, dass Frauen, die ein Binnen-I benötigen, um sich gleichwertig zu fühlen, ganz andere Probleme haben. Davon abgesehen bin ich großer Fan von Alice Schwarzer, vor allem auch, weil sie eine sehr klare Haltung zum Thema »Kopftuchverbot« hat, für die man sie in Deutschland fast auf dem Scheiterhaufen der links-naiven Pseudo-Toleranz verbrannt hätte.

Sie schrecken nicht davor zurück, Themen zu beackern, die gesellschaftliche Minenfelder sind. Gab es da auch schon negative Reaktionen aus Ihrem unmittelbaren Umfeld?

Aus dem persönlichen Umfeld kam da nix, aber natürlich blieb mir nicht verborgen, dass einige Kollegen, die traditionsbedingt eher dem links-grünen Zeitgeist folgen, sich zu Äußerungen hinreißen ließen wie: »Die Gruber könnte auch auf einer Kundgebung der PEGIDA auftreten!« Und da ich regelmäßig in der Sendung des von mir sehr geschätzten Kollegen Dieter Nuhr zu Gast bin, bin ich sowieso stigmatisiert….. und weine daher jeden Abend in mein Kissen.

Wie sozialkritisch, wie politisch darf Kabarett sein?

So sozialkritisch und politisch, dass der Zuschauer sich immer noch amüsiert. Wir sind »Humorarbeiter« und unsere Aufgabe ist es primär, Menschen zu unterhalten, nicht zu belehren. Das sehen einige Kollegen anders, und das finde ich sehr bedauerlich, denn ich bin zuständig für begleitendes Lachen und nicht für betreutes Denken.

»Wie werden all die Idioten wieder ins normale Leben zurückfinden« fragen Sie spaßhalber im Buch. Dahinter versteckt sich mehr Ernst, als auf den ersten Blick erkennbar. Die Frage ist doch: Werden wir nach dem Wahnsinn überhaupt in ein normales Leben zurückfinden. Und wenn ja, wie?

Es wird eine Zeit vor und eine nach Corona geben. Daher wird es auch ein neues »Normal« geben: Ich denke nicht, dass es jemals wieder so werden wird wie vorher. Dennoch muss man sich kleine Inseln schaffen, auf denen man sich sicher, entspannt und wohl fühlt… und das geht nur mit Gleichgesinnten. Darüberhinaus MUSS man sich seinen Humor und seine Leichtigkeit bewahren, denn ohne Lachen und Selbstironie ist dieses Leben nur schwer erträglich.

Wir sollen »keine Angst vor der Zukunft haben, denn an Zukunft an sich wird ́s uns vermutlich nicht mangeln, in der Zukunft« sagen Sie in Karl-Valentinscher-Manier.
Genau. Meine Oma sagte immer: »Es geht allaweil weida…. Du muasst immer nach vorn schaun und des schafft ma nur, wenn ma ab und zua a Gaudi hod!« Ein wahres Wort gelassen ausgesprochen.

Die »wichtigste« Frage zuletzt: Besitzen Sie wirklich einen Mundschutz mit der Aufschrift »Geh doch scheißen, du Trottel«?

Nein, aber ich habe eine Kaffeetasse mit der Aufschrift: »Bevor I mi aufreg, is‘ ma wurscht!« Gibts demnächst bei mir im Shop zu kaufen, weil meine Freundinnen die auch haben wollen. Und wenn nix mehr hilft, dann lasse ich mir ein T-Shirt mit dem Zitat von Helmut Qualtinger drucken: »Ihr seids olle bei mir im Oasch dahaam!« Mit einem liebevollen Herz dahinter… zwengs der Achtsamkeit.

Vielen Dank für das Gespräch.

Monika Gruber (49) ist eine vielfach ausgezeichnete bayerische Kabarettistin. Derzeit tritt sie u.a. regelmäßig in der ARD-Show »Nuhr im Ersten« auf. Ihr aktuelles Buch »Und erlöse uns von den Blöden«, das sie gemeinsam mit dem befreundeten Journalisten Andreas Hock geschrieben hat, erzählt davon, wie man in hysterischen Zeiten wie diesen den Menschenverstand behält oder eben nicht. Auch in der nächsten Tatort-Folge des Münchner Duos Wachveitl/Nemec wird sie in einer Rolle zu sehen sein.

TEXT: MARKUS DEISENBERGER/ FOTOS: KATHARINA BAUMANN