Musik als Feuerwerk

Pop aus Salzburg ist längst zu einem Markenzeichen geworden. Um alle Bands zu portraitieren, die derzeit national wie international von sich reden machen, reicht der Platz leider nicht aus. Hier eine kleine Auswahl.
MYNTH
Bittersüße Traumwelt
Seit ihrer Geburt verbindet die Zwillinge Giovanna und Mario Fartacek eine einzigartige Vertrautheit, die sie in der Musik ausleben. Spätestens seit der Auszeichnung mit dem Amadeus Austrian Music Awards im Jahr 2017 zählt ihre gemeinsame Band Mynth zu den renommiertesten Österreichs. Ihr aktuelles Album ist das Ergebnis langer, harter Arbeit – die Produktion dauerte ganzezwei Jahre – und bietet feinen Elektro-Pop mit hintergründigen Texten. Anders als sonst, klingt Mynth aber nicht mehr nach einem Elektronik-Duo, sondern voller und satter. Nach einer Band. Wenn man genau hinhört, sich etwa auf die Gitarre konzentriert, hört man sie, aber sie fügt sich trotz ungewöhnlichen Spiels perfekt ins Klangbild ein. »Genau das war beabsichtigt«, freut sich Mario Fartacek. Es ging uns darum, die elektronischen Triphop-Roots weiterzuentwickeln und mit organischem Band-Sound zu vereinen. »Shades« ist ein Album mit rotem Faden geworden. Thematisch geht es um den Kampf, den wir oft mit uns selbst austragen, verarbeitet in eine Traumwelt, sehnsuchtsvoll und bittersüß. So hart die Auseinandersetzung mit den inneren Dämonen aber auch sein mag, am Ende bleibt die positive Perspektive. Ein Album, das nicht besser zur brüchigen Zeit passen könnte, in der wir leben.
AMELIE TOBIEN
Der Griff nach den Sternen
Auf die Musik von Neil Young und Simon and Garfunkel stieß Amelie Tobien über die Plattensammlung ihrer Eltern. »Zuhause und auch wenn wir unterwegs waren, lief immer gute Musik. Kein Radio. « Was sonst durchaus üblich ist, dass Kinder gegen den Musikgeschmack ihrer Eltern revoltieren, bei Amelie war das anders: »Wir gingen gemeinsam auf Konzerte, hatten Spaß. Und überhaupt: Wie kann man die Beatles und die Stones nicht mögen?« Als Amelie mit dem Studium fertig war, ging sie ein Jahr nach Irland. Ihre Band hatte sich kurz vorher aufgelöst. Irgendwie war es da logisch, es von nun an allein zu probieren. Dublin mit seiner äußerst lebendigen Musikszene fing sie auf. »Ich bin dort zum ersten Mal allein aufgetreten, mit meinen eigenen, neuen Songs.« Vor allem Folk hat bei den Iren einen hohen Stellenwert, und auch Straßenmusik ist gern gesehen, wird nicht als Betteln abgetan, »sondern als zur Kultur dazugehörig akzeptiert.« Aber auch hierzulande spielt sie gern auf der Straße. »Manchmal schaue ich nach einer Stunde in den Gitarrenkoffer und es liegen Briefchen mit Botschaften drin.« Ihr erstes Album »We aimed for the stars« ist vergangenen Herbst erschienen und bietet schönen, reduzierten Folk in der Tradition großer Singer/Songwriter wie Joni Mitchell oder Bob Dylan. Sie selbst sieht es als »Dokumentation meiner Entwicklung, auf die man zurückgreifen kann, wann immer man will. Ein bisschen wie ein Tagebuch.« Den Titel will sie mit einem zwinkernden Auge verstanden wissen. »Wir sind die, die es probieren. Wir machen unser Ding. Es kann sein, dass wir nicht erfolgreich sind. Na und? Dann haben wir halt nur nach den Sternen gegriffen, aber zumindest unsere Community gefunden.«
FLIRTMACHINE
Einfach selber machen
Wenn Salzburg Pop ist, ist Flirtmachine Anti-Pop. Ein wenig räudig, trashig und dem Spaß verpflichtet kommt das Projekt von Robert Gerstendorfer daher. Dahinter steckt keine Absicht. Es wehe zwar schon ein Hauch von Red Bull durch die Stadt, sagt Gerstendorfer. »Alles muss super gemacht und kommerziell erfolgreich sein.« Viel zu oft hat er deshalb das Gefühl, als würde es immer gleich um viel gehen, dass alles viel zu ernst genommen wird. Die »Scheiß-drauf-Mentalität«, wie er es nennt, und die man auch rauszuhören meint, wenn man der Musik von Flirtmachine aufmerksam lauscht, ist aber weniger bewusste Abwehrhaltung als das, was passiert, »wenn man einfach selber macht und schaut was dabei rauskommt.« Robert hat eher spät zum Musikmachen begonnen. Erst Ende 2017 nahm er die Gitarre in die Hand, um einfach drauf los zu spielen. Schon ein Jahr später erschien der erste Song, nur ein weiteres halbes Jahr später das erste Album. Heuer will Gerstendorfer nachlegen: Gleich zwei Alben sollen entstehen. Eines, das die Richtung der letzten Single »Lovers«, die bereits auf fm4 läuft, fortsetzt. Luftig-melancholischer Indie-Rock also, und ein »Party-Album«, auf dem es nur um den Spaß geht, auf dem er sich mit Samples und Loops austobt. Wie sich das ausgehen soll? Nach dem Zivildienst will er sich ein ganzes Jahr nur auf das Musikmachen konzentrieren. Gute Entscheidung, denn es mag in Salzburg so manches geben, was professioneller klingt. Nur weniges aber ist origineller.
GOOD WILSON
Sich im Himmel verlieren
Good Wilson sind Günther Paulitsch, Alex Connaughton, Mario Fartacek und Julian Pieber, Mitglieder anderer großartiger Bands wie Mynth, Polkov oder Shaun Berkovits also. Gemeinsam spielen sie wunderbar verträumten Gitarren-Pop, den sie selbst scherzhaft »Sky-Gaze« nennen. Das Gegenteil vom in Musikerkreisen bekannten Genre »Shoegaze« also: Man starrt nicht auf die zahlreich am Boden herumstehenden Effektgeräte, »sondern in das unendliche Blau des Himmels, um sich in ihm zu verlieren.« Seinen Anfang nahm das Projekt im Salzburger Rockhouse. Man traf sich backstage bei einem Konzert und schmiedete sofort gemeinsame Pläne. »Wir haben uns glücklicherweise von Anfang an blind verstanden, weil wir alle gut befreundet sind«, erzählt Günther Paulitsch. Und so wurde schon bald im Seminarraum des Rockhouse ein kleines Studio aufgebaut und live ein paar Takes aller Songs eingespielt. Danach begann das Tüfteln. Die Mühe hat sich gelohnt, denn herausgekommen ist ein schillerndes Pop-Juwel. Jemand, der in den 1980ern aufgewachsen ist, würde dazu »zeitloser Gitarren-Pop« sagen, im besten Sinne. Mit den Jungs von Good Wilson könnte man es natürlich auch ungleich lyrischer »den perfekten Soundtrack, um sich in der Unendlichkeit des Himmels zu verlieren« nennen.
TEXT: MARKUS DEISENBERGER
FOTOS: MIKI KAP, REA DJUROVIC, ANDREAS GRAF, TEO CRAWFORD, YAVUZ ODABAS
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