Überraschende Momente in St. Peter

Wie man Geschichte und Zeitgeist unter einen Hut bringen kann, zeigt das St. Peter Stiftskulinarium eindrucksvoll. Zu Besuch im HaubenRestaurant mit seiner beachtlichen Kreativküche.
FOTOS Andreas Kolarik text Markus Deisenberger
Kulinarischer Hochgenuss
Wer sagt eigentlich, dass die Vorspeise immer ein leichter Einstieg, die Hauptspeise dann »gehaltvoller« und die Nachspeise wieder leichter sein muss, weil man immer noch an der Schwere der Hauptspeise leidet? Es geht doch auch anders: Ein Kalbsbries als Vorspeise zu servieren, traut sich auch nicht jeder. Dazu braucht es eine gehörige Portion Mut und Fingerspitzengefühl. Über beides verfügt Manfred Besenböck, der sein Können u.a. bereits in den Hotels Das Goldberg und Der Schwarzacher unter Beweis stellte. Seit einem halben Jahr nun ist er Küchenchef des Restaurants St. Peter, und schon sein erster Gang stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass er mit der in St. Peter traditionell-österreichischen Küche mit leicht internationalem Einschlag, die zuletzt mit zwei Hauben prämiert wurde, noch einiges vorhat:
Das in Milch, Gemüsefond und Piment sous vide gegarte Kalbsbries, das erst beim Anrichten gesalzen wird, damit man den Eiweißaustritt verhindert, wird behutsam glaciert und dann mit Räucherspeckfond aufgegossen. Dazu wird eine besonders zarte Kartoffel-Mousseline gereicht und ein mit Sepiatinte eingefärbter Reis-Chip, der knusprig frittiert in seiner Konsistenz ein wenig an Hummerchips erinnert, aber dessen Sepiageschmack, begleitet von einer wunderbar cremigen Sepiamayonnaise, frischem Lardo, Lardostaub und Kerbel genau das ist, was dem Bries fehlt, um sich in ungeahnte Höhen aufzuschwingen. Einfach gehalten, geradlinig und trotzdem oder gerade deshalb: Im Mund entfaltet die Kombination aus Bries, Sepia und Lardo in unterschiedlichen Texturen ein wahres Konzert. Einfach gehalten und geradlinig – trotzdem oder gerade deshalb entfaltet sich die Kombination aus Bries, Sepia und Lardo mit deren unterschiedlichen Texturen in außergewöhnlicher Weise. Aber das war erst die Ouverture. Denn wer denkt, mit einem solch fulminanten Einstieg habe die Küche ihr Pulver bereits verschossen, wird angesichts des folgenden Hauptganges eines Besseren belehrt, denn es folgt ein rein vegetarisches Gericht.
»Allerlei vom Sellerie«, wie es auf der Karte steht, ist ein erstaunlich variantenreiches Gericht, bestehend aus Sellerietaschen, die mit Sellerie-Apfel-Chutney aus Granny-Smith-Äpfeln beträufelt und von selbstgemachten Ravioli mit Selleriefülle, ebenso zart geformt wie gewürzt, begleitet werden. Mit fermentierten Walnüssen und mit dem Grün vom Stangensellerie schön angerichtet und fertig ist der Sellerie-Genuss. C’est la vie. Ein Nebenprodukt des in Salzkruste gekochten Selleries ist der herrliche Jus, der so intensiv schmeckt, dass man sich tatsächlich kurz fragt, warum man seine Suppe mit Fleisch kocht.
Als wir uns ob des zarten Schmelzes, der frischen Säure und der unerhörten Leichtigkeit des Gerichts erstaunt zeigen, winkt Besenböck ab. »Hier in St. Peter ist einst das Salzburger Leben entstanden«, philosophiert er. Einer solchen Geschichte müsse man respekt-, aber auch phantasievoll Tribut zollen. Dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht, dass es schon verwunderlich ist, wie man einem so bodenständig schlichten Gemüse wie dem Sellerie so viel Leben einhauchen kann. Aber das wiederum kann man exemplarisch für das ganze Stiftskulinarium ins Treffen führen. »Wir brennen für die exzellente Küche«, erzählt uns dann auch Claus Haslauer, »für feinste Geschmackserlebnisse, für edelste Weine.« »Und für Zutaten von höchster Qualität«, ergänzt Veronika Kirchmair. Gemeinsam haben die beiden Gastgeber den Betrieb in den letzten 25 Jahren achtsam ins 21. Jahrhundert geführt. Dank des unermüdlichen Einsatzes der beiden ist das im Herzen Salzburgs, in der historisch wertvollen und geschichtsträchtigen Altstadt gelegene St. Peter Stiftskulinarium heute ein wahres Juwel.
Das zeigen nicht nur die beiden Hauben. Die größte Anerkennung ist es immer noch, wenn ein Konzept vom Publikum angenommen wird, was in St. Peter klar der Fall ist. Eine Eventlocation und ein Restaurant wie St. Peter kann man auf diesem hohen Niveau nur dann perfekt bekochen und zeitgerecht auf den Tisch bringen, wenn die Mannschaft »auf Zug« funktioniert. Den Eindruck hat man, wenn man in St. Peter einen Blick in die Küche wirft: Die Abläufe sind einstudiert und funktionieren – einem eingespielten Fußballteam nicht unähnlich – wie am Schnürchen. Kalbsbackerl mit Edäpfelstampf und Rahmwirsing, Wolfsbarsch oder andere wirklich empfehlenswerte Fischgerichte werden da in Windeseile zubereitet. Aber auch Innereien finden sich fast immer auf der Karte – einmal weil man das Tier einfach ganz verwertet sehen will, aber auch »weil sich aus Innereien wirklich wunderbare Gerichte zaubern lassen«, so Küchenchef Besenböck und Souschef Christian Kassanits-Pföss unisono.
Aber nicht nur die logistische, auch die Weinkompetenz des Hauses ist herausragend. Über 500 internationale Weinpositionen sind ein einzigartiger Wert. Ebenso einzigartig ist aber, dass sich diese Kompetenz auch sinnlich erfahren lässt. Für alle Wein- und Wissenshungrigen wurden unter der Leitung von Rakhshan Zhouleh Seminare etabliert, die den Teilnehmern über ihren Geruchs- und Geschmackssinn eine vielseitige neue Welt eröffnen. Zhouleh ist dreifacher »Deutscher Sommelier des Jahres«, war jahrelang in Sterne-Restaurants beheimatet und erweitert die Weinkompetenz des Hauses in wirklich erfrischender Manier.
Bei all der Schwärmerei hätten wir beinahe das Dessert vergessen: Ein aus Mascarpone, griechischem Jogurt, Obers, frischem Mangopüree und Zucker gezaubertes Mangotörtchen auf Schokoerde. Gereicht wird es mit einer Avocado-Jogurt-Creme. Ein selbstgemachtes Mango-Sorbet, Mangowürfel und Basilikumkresse, deren Sinn geschmacklich weit über das bloß Dekorative hinausreicht, sorgen für zusätzliche Frische. Als besonders raffiniert aber erweisen sich die in Gin und Vanille eingelegten Mangofäden, die dazugelegt werden – ein Genuss sondergleichen.
Unser Fazit: Historisch sind im ältesten Restaurant Europas nur die Gemäuer. Heute überzeugt es national und international mit Innovationen aus Küche und Weinkeller, kombiniert mit charmantem Ambiente in außergewöhnlicher Lage sowie bestem Service.
ST. PETER STIFTSKULINARIUM
St.-Peter-Bezirk 1/4, Tel. 0662 84 12 680, reservierung@stpeter.at, www.stpeter.at
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