Das Durchschnittsalter ist in Salzburg Stadt in den vergangenen zwei Jahrzehnten um sechs Jahre gestiegen, während die Wiener in der selben Zeit um zwei Jahre jünger wurden. Warum ist das so? Und ist uns das egal, oder tun wir etwas dagegen?

Die Bevölkerung in der Stadt wird älter. Das ist nicht nur durch die jährlichen demographischen Erhebungen belegt, sondern es deckt sich auch mit unseren persönlichen Erfahrungen. Man kennt das doch aus dem eigenen Umfeld: Ein Pärchen, das bisher in der Stadt wohnte, bekommt ein Kind und kann sich eine größere Wohnung nur noch in Eugendorf oder Wals leisten. »Stille Abwanderung« nennt sich das, und sie ist wohl ein Grund für das Älterwerden in der Stadt. »Wir haben in den letzten Jahren in einem breiten Bereich teure Wohnungen gebaut, die sich jüngere Menschen gar nicht leisten können. Ältere Semester mit entsprechendem Budget kommen. Die Jüngeren werden aus der Stadt verdrängt. Die sind ins Salzburger Umland abgewandert. Dort gibt es eine Bevölkerungs- zunahme, wie man aus Erhebungen weiß, weil es dort noch halbwegs leistbaren Wohnraum gibt«, fasst es Roman Höllbacher, künstlerischer Leiter der Initiative Architektur, zusammen. »Preise von 16 Euro aufwärts, die man auf dem freien Miet- markt für den Quadratmeter bezahlen muss, sind für Leute, die kein größeres Einkommen haben, einfach zu hoch.« Die Jungen können sich also nur noch den Speckgürtel leisten. Dafür, dass sich die Situation in absehbarer Zeit entspannen würde, sieht Höllbacher keine Anzeichen. »Es sind kaum Flächen für den kostengünstigen Wohnbau verfügbar. Die Flächen, die verfügbar waren, gingen in den letzten Jahren preislich durch die Decke.« Natürlich werde das eine oder andere Projekt in Angriff genommen. Höllbacher aber vermutet, dass das zu wenig sein wird, um die Entwicklung aufzuhalten oder gar umzulenken. Hat er recht, werden die Preise weiter steigen, der Wohnraum wird für Junge noch unleistbarer, und die demographische Tendenz wird sich verschärfen. Derzeit liegt das Durchschnittsalter bei über 43. In zehn Jahren wären das dann 49, in zwanzig 55 Jahre und so weiter.

 

Das Durchschnittsalter ist in Salzburg Stadt in den vergangenen zwei Jahrzehnten um sechs Jahre gestiegen, während die Wiener in der selben Zeit um zwei Jahre jünger wurden. Warum ist das so? Und ist uns das egal, oder tun wir etwas dagegen?

 

Was macht eine Gemeinde jung? Die jüngste Gemeinde des Salzburger Landes ist Werfenweng. Was ist dafür verantwortlich, dass das Durchschnittsalter dort ca. sechs Jahre unter dem der Stadt Salzburg liegt? Peter Brandauer, seit dreißig Jahren Bürgermeister, nennt zunächst einmal die günstige Lage: Von Werfenweng ist man relativ schnell bei Arbeits- plätzen außerhalb der Gemeinde, wie etwa in Bischofshofen (12 km) oder in St. Johann. Auch Salzburg ist nicht allzuweit entfernt. Aber auch ein gutes Angebot öffentlicher Mobilität führt er an. Ein Shuttle-Service holt einen im Stundentakt zu Hause ab und bringt einen zu den Haltestellen Bischofshofen, Werfen, Pfarrwerfen. Darüber hinaus versucht man seit längerer Zeit günstigen Wohnraum, d.h. ein entsprechendes Ange- bot an Mietwohnungen zu bieten, was für kleine Gemeinden im ländlichen Bereich eher ungewöhnlich ist. Und zu guter Letzt ist es die Kinderbetreuung: »Wenn die Eltern das möchten, können Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres in den Kindergarten«, so Brandauer. Nachmittagsbetreuung inklusive. »Das gehört zur Grundversorgung dazu. Eine Familie soll so leben können, wie sie sich das heute wünscht.«

Klingt gut. Die Frage ist nun: Gibt es auch in der Stadt einen Masterplan, was die Stadt lebenswert macht und wie sie, sagen wir in fünf oder fünfundzwanzig Jahren aussehen soll? Ja, gibt es. Den Masterplan 2025. Aus einer Initiative des Klima- und Energiefonds entstand vor ca. zehn Jahren die Idee, ein Leitbild für eine lebenswerte und energieeffiziente Stadt zu erarbeiten. in einem Stakeholderprozess wurden an die 120 Leute eingebunden, um Antworten auf folgende Fragen zu erarbeiten: Wie bleibt die Stadt wohnens- und lebenswert? Wie wird sie nachhaltig und erneuerbar versorgt? Und wie bewegen sich ihre Bewohner möglichst nachhaltig?

Schon 2012 wurde im Gemeinderat der einstimmige Be- schluss gefasst, diese Vision politisch auf den Weg zu bringen. Das sei auch mehr als sinnvoll, meint Franz Huemer von der Baudirektion. Schließlich sollen schon 2050 satte 70% der Weltbevölkerung in Städten leben. Visionäre Prozesse müssen also von Städten ausgehen, sagt der Beamte, der für die Koordination des Smart-City-Projekts verantwortlich ist. Eine Evaluierung 2019 ergab nun, dass nach der Hälfte des Weges (bis 2025) 58 % des Weges erledigt sind. So ist etwa der CO2- Verbrauch in der Stadt erstmals zurückgegangen (2016 stieg er noch). Eine Trendwende ist erkennbar. Für Huemer aber ist das noch immer zu wenig. Und er wird deutlich: »Wollen wir die Paris-Ziele erreichen, müssten wir um ca. knapp 40% runterkommen. Alles was wir derzeit an Umstellungen machen, ist schön, aber nicht ausreichend.«

Mit einer Wende hin zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien ist es im Masterplan aber nicht getan. Es geht auch darum, »zusätzlichen leistbaren Wohnraum ohne neuen Flächenverbrauch zu schaffen«, stellte Barbara Unterkofler als Vizebürgermeisterin, die das Planungs- und Verkehrsressort innehat, schon im einleitenden Interview in Aussicht. Es gehe um eine »gesamtheitliche Entwicklung aller Lebensbereiche«.

Aber wie leicht oder schwer ist das? In den letzten Jahren sei so gut wie nichts von der Wohnbauförderung ins Eigentum gegangen, sagt die Politikerin. »Aber wir brauchen in der Stadt auch stark gefördertes Eigentum, damit Jungfamilien, die sich etwas kaufen wollen, hier bleiben.« Auch den Universitätsstandort gelte es zu stärken, damit Studenten nicht Montag kommen und am Donnerstag wieder gehen. Gerade bei Studenten gäbe es zu wenige Hauptwohnsitzmeldungen. Als eine Ursache, die Hauptwohnsitzraum wegnimmt, wurden in der Vergangenheit Zweitwohnsitze und lukrative Airbnb- Vermietungen ausgemacht. Auch da, so Unterkofler, versucht die Politik durch entsprechende Gesetze gegenzusteuern. An der Grünlanddeklaration wolle man allerdings nicht rühren. Klar, der hohe Grünlandanteil in der Stadt treibt die Preise in die Höhe, er macht aber auch einen Teil der hohen Salzburger Lebensqualität in der Stadt aus. Politisch lasse sich dieses Dilemma nur schwer lösen.

Nun sieht der vorliegende Entwurf für ein Maßnahmengesetz zum kostenreduzierten Wohnbau aber genau das vor: Wenn es gar nicht anders gehe, soll auch im Grünland gebaut werden dürfen. Roman Höllbacher ortet (neben viele positiven Aspekten des Gesetzes) darin einen »Rückschritt in die frühen 1960er ohne jeden Mobilisierungseffekt«. Denn: »Weshalb sollte jemand sein Land zum billigen Grünlandpreis verkaufen, wenn er weiß, dass darauf gebaut wird?« Es brauche politischen Druck.

Den Druck, den Höllbacher und andere fordern, damit die Preise sinken, übe man doch längst aus, kontert Unterkofler. »Sobald jemand etwas von der Stadt braucht, werden Bedingungen gestellt.« So komme, wenn etwa umgewidmet werden soll, nur noch geförderter Wohnbau und der nur zur Hauptwohnsitzbegründung. »Da geht nichts mehr in den freien Markt, nichts in die Spekulation«, so Unterkofler. Die jüngsten Ereignisse bestätigen das. So pochte die Stadt etwa mit Vehemenz darauf, dass die Erzdiözese mit ihrem Kaufangebot für die beiden Schulen in der Schwarzstraße zum Zug kommt. Falls nicht, stelle sie auch ihr Angebot an den bisherigen Eigentümer infrage, eine höhere Bebauungsdichte für die geplante Teil-Verbauung mit Wohnungen zu genehmigen, war in den Zeitungen zu lesen. Mal sehen, wie es in dieser Causa weitergeht.

Die Stadtregierung jedenfalls verfolgt auch andere Pläne, um Wohnraum zu schaffen: »Die Hälfte aller Grundflächen besteht aus Ein- und Zweifamilienhäusern«, erzählt Unterkofler. »Wir haben also noch viel Potenzial in der privaten Verdich- tung.« Man könne die Eigentümer zwar nicht zwingen, aber man könne Anreize schaffen. »Wenn ihr Häuser saniert und aufstockt, bekommt ihr einen Bonus…« fasst es Franz Hue- mer zusammen. Der Effekt sei in doppelter Hinsicht positiv: Es wird weniger Energie verbraucht und zugleich Wohnraum geschaffen. »18.000 Wohneinheiten ließen sich dadurch ge- winnen«, schätzt Unterkofler.

Ein weiteres heikles Thema sind die riesigen Leerstände, die es in der Stadt nachweislich gibt. Viele fordern, um diese zu mobilisieren, eine Leerstandsabgabe. Unterkofler: »Das ist Sache des Landes; dort wird geprüft, wie hoch eine solche sein könnte, um verfassungsrechtlich konform zu sein, immerhin wird ins Eigentum eingegriffen.«

Zusammenfassend kann man sagen: Die Stadtregierung be- müht sich. Aber ob das reicht, um nicht nur beim CO2-Ver- brauch, sondern auch beim leistbaren Wohnraum eine Trend- wende einzuläuten? »Die Gemeinde wird Flächen erwerben müssen, wenn sie weiterhin leistbaren Wohnraum garantieren will«, meint Roman Höllbacher. Viele meinen auch, dass die Möglichkeiten zur Verdichtung noch lange nicht ausgeschöpft sind. So ist Salzburg die wahrscheinlich einzige Stadt dieser touristischen Größenordnung, die sich immer noch einen Busparkplatz mitten in der Stadt leistet. Könnte man dort nicht nachverdichten?

Fakt ist auch, dass in der gleichen Stadt, in der seit Jahren an einem äußerst innovativen Smart-City-Masterplan gearbeitet wird, das einzige Elektromobilitäts-Projekt namens Emil ersatzlos gecancelt wurde. Der Grund dafür ist klar. Die betreibende Salzburg AG ist als Aktiengesellschaft organisiert, deren Gewinnausschüttung in die Dividenden noch dazu erhöht wurde. Daraus resultiert enormer Druck auf die Geschäftsführung unrentable Teile abzustoßen, auch solche, die zukunftsträchtig sind.

Auch daran werde gearbeitet, erzählt uns Unterkofler. Die Ver- kehrssparte soll aus der Salzburg AG ausgegliedert und an Stadt und Land übergeben werden. Derzeit arbeite man an den genauen Bedingungen dafür. In den kommenden Jahren soll alles neu gegliedert werden. Auch an einem übergreifenden Verkehrskonzept wird gearbeitet. »Die nächsten Jahre werden also spannend«, verspricht Unterkofler. Dem können wir nur zustimmen und versprechen dranzubleiben. Am Thema »Lebenswerte Stadt und was dafür zu tun ist«.

Die Krux ist und bleibt wohl, politische Porgramme zu erarbei- ten, die zugleich zukunftsweisend und mehrheitsfähig sind.

TEXT: MARKUS DEISENBERGER