Zwischen den Zeilen – Universitätsbibliothek der Archäologie Salzburg

Bibliotheken bieten Rückzugsmöglichkeiten zum ungestörten Arbeiten und Innehalten im hektischen Alltag des Lebens. Aber oft sind sie auch architektonische Kleinode mit spannender Geschichte und wunderbaren Inhalten. vision.salzburg entdeckt Tempel des gedruckten Wortes.
Heute wie damals
Um zur Universitätsbibliothek der Archäologie, einer der drei Bibliotheken der Fakultät der Altertumswissenschaften, in der Alten Residenz zu gelangen, darf man über die altehrwürdigen Stufen der Prunkstiege wandeln. Hinter einer schweren Tür öffnen sich dann rechter Hand auf halbem Anstieg die Räumlichkeiten der ehemaligen Silberkammer der Erzbischöfe. Hier lagerten Wolf Dietrich und seine Nachfolger ihre Schätze, von eben erwähntem Silber bis zu Tafelgeschirr, Prunkgefäßen und süßen Genüssen für den Nachtisch der Hofgesellschaft. In der Zeit Napoleons wurden die Schätze durch den kurzzeitig in Salzburg regierenden Churfürsten Ferdinand I. (von der Toskana) vor dem Korsen »in Sicherheit gebracht« und lagern seither im Palazzo Pitti in Florenz. Was aber immer noch original vor Ort erhalten ist, sind die Aufbewahrungskästen, die noch als solche dienen – heute allerdings für Schätze wie Bücher und Schriften. Zwei große Konglomeratsäulen thronen majestätisch im zweiten Raum auf Marmorfußböden, stützen die schönen Rundbögen und laden ein zum Studieren und Schmökern in Kostbarkeiten, die zurückgehen bis in das Jahr 1767, und vielen Druckwerken, die mehr als 150 Jahre alt sind. Der Trubel auf dem Domplatz, der durch die Erhöhung der Räume schön einsehbar ist, lässt sich schnell vergessen, wenn man hier in Geschichte und Kultur längst vergangener Zeiten eintaucht, die beim Anblick der Einrichtung und dem Gedanken an ihre Geschichte wieder lebendig wird.
Dem Meister auf der Spur
Schon beim Eintritt ins Mozarteumsgebäude in der Schwarzstraße und beim Gang über die altehrwürdige Stiege hat man das Gefühl, dem Genie Mozart näherzukommen. Spätestens jedoch beim letzten Schritt durch die stuckbesetzte Tür zur Bibliotheca Mozartiana der Stiftung Mozarteum Salzburg taucht man ganz ein in die Welt des Ausnahmekönners. Denn dies ist die weltweit größte Spezialbibliothek zu Leben und Werk Wolfgang Amadeus Mozarts und seiner Familie, wie Schwester Nannerl, den Söhnen oder seiner Frau Constanze. Neben wissenschaftlicher Literatur in vielen Sprachen der Welt lagern (erweitert im Online-Katalog) hier etwa auch originale Drucke von Notenblättern von ca. 1800 und Bücher zur ersten Erwähnungen des »Wunderkindes« samt einer Art Testprogramm für den kleinen Wolferl, der damals sein unglaubliches Talent nachweisen und der Welt zeigen sollte, dass ein Kind wirklich verschiedenste Notenfolgen nachspielen kann, ohne sie jemals zuvor gesehen zu haben. Damals wie heute war es offenbar für viele schwierig, an dieses unfassbare Talent zu glauben. Die wertvollsten Stücke, wie originale Handschriften des Komponisten, befinden sich freilich in einem Safe in Mozarts Wohnhaus. Aber auch dort kann man nach Anmeldung Führungen buchen. Die Bibliothek befindet sich seit der Eröffnung des Hauses im Jahre 1914 an diesem Platz. Viele Musikhistoriker, Forscher und Liebhaber der Materie finden sich hier ein, um in den Mozartkosmos einzutauchen. Die Bibliothek steht allen offen, nur entlehnen kann man aus verständlichen Gründen keines der Stücke. Aber wer braucht das schon, wenn man in solch konzentrierter Form einer musikalischen Legende und ihrem Leben folgen kann.
In der Mitte liegt die Ruhe
Wenn Philosophen in Salzburg in die Bibliothek gehen, dann begeben sie sich oft in den geschichtsträchtigen Wallistrakt im St. Peter-Bezirk, denn dort ist die etwas versteckte Bibliothek der Philosophischen Fakultät beheimatet. Neben umfangreichen Sammlungen aus der Geschichte der größten Denker beeindruckt dieser Ort durch die glatte konradinische Säule in toskanischer Machart in der Mitte des Raumes, die sich nach oben hin verjüngend in den ersten Stock hinaufragt. Gefertigt aus Adneter Marmor schimmert sie in wunderschönem Rot, bedingt unter anderem durch Pflanzenanteile im Gestein. Und wer genau hinsieht findet noch Einschlüsse von Schnecken- und Muschelfossilien im Fußboden, der aus demselben Marmor angelegt wurde. Die heutige Bibliothek wurde früher als Lesesaal genutzt und fungierte davor als Empfangsraum der Erzbischöfe. Die großartige Holzbalustrade, die sich im ersten Stock ringsum im Quadrat zieht, war im Wiedergründungsjahr der Universität 1961 nur noch halb vorhanden und wurde aus Fußböden, die demselben Holz entsprachen, wiederhergestellt. Heute wirkt es wie aus einem Guss. Hier lässt es sich definitiv philosophieren und über das Leben nachdenken, egal ob professioneller oder privater Natur. Die Ruhe der umgebenden Altstadtgebäude und die Schönheit der Bibliothek können fast nur Vorschub zum Denken leisten. Man sollte es einmal darauf ankommen lassen. Es lohnt sich.
Auf Reisen
Die einzige erhaltene Wendeltreppe im Universitätskomplex des Toskanatrakts führt uns direkt hinauf zur wunderschönen und einzigartigen Landkartengalerie. Die Wände sind gesäumt von gemalten Landkarten aus der Zeit um 1600. Bei Restaurierungsarbeiten der ehemaligen Polizeidirektion, die hier untergebracht war, wurden diese im Jahr 1986 entdeckt und in mühevoller Detailarbeit restauriert. Heute dürfen sich Studierende und Interessierte bei ihren Vertiefungen in entlehnte Bücher daran erfreuen. Denn nun dient der Raum als Lesesaal für die juridische Fakultät. Die Vorbilder zu den Karten stammen aus Italien und besonders dem Vatikan, denn dorthin unterhielten die Bauherren der Salzburger Residenz, Fürsterzbischof Wolf Dietrich und Nachfolger Marcus Sitticus, beste Kontakte. Wer sich also aus der mehrstöckigen Bibliothek der Rechtswissenschaften mit den ausgeliehenen Büchern hinauf an alten Heizzugängen vorbei und durch den Steinsaal begibt, wird dafür fürstlich belohnt: Der Raumplan wartet mit Wandlandkarten von Rom und Spanien, über London, Kairo und Lissabon bis hin zu Jerusalem, dem alten Gallien und dem Türkischen Reich auf. Für Interessierte etwas modernerer Fakten sei erwähnt, dass die Bibliothek die einzige United Nations Depository Library in Österreich ist.
Gedanken mit Aussicht
Über den Dächern von Salzburgs Altstadt mit Blick auf Dom und den Festspielbezirk befindet sich im Edith-Stein-Haus das Leopold-Kohr-Archiv. Auch wenn ein Lift im Berg vorhanden ist, erweist sich der Aufstieg vom Toskaninihof über die Treppe doch als weitaus lohnender. Der in Oberndorf geborene Nationalökonom, Jurist, Staatswissenschaftler und Philosoph Kohr war der erste Österreicher, der den alternativen Nobelpreis erhielt. Zeit seines Lebens propagierte er die Dezentralisierung sozialer Organisationen und Gruppen auf eine Größe, die Funktionalität bei gleichzeitiger Überschaubarkeit ermöglicht. Der von ihm geprägte Slogan »slow is beautiful« gilt als Essenz seiner Geschwindigkeitstheorie, die besagt, dass in der Langsamkeit die Massenwirkung abnimmt. Denn eine Masse aus Individuen zerstöre laut Kohr die Freiheit und verhalte sich nicht wie vernünftige Wesen. Aber nicht nur in dieser Hinsicht konnte für das Archiv der perfekte Ort gefunden werden: Das in sich ruhende Gebäude und die Möglichkeit, den Blick frei schweifen zu lassen, hätten Leopold Kohr sicher gefallen. Das Archiv steht jedem Interessierten nach Voranmeldung offen. Und auch wenn nach und nach die vielen Schriften, Leserbriefe, Zeitungsartikel und persönlichen Dokumente wie Pässe und Meldekarten digitalisiert werden, ist es ein Erlebnis, sich direkt mit dem Leben und Werk dieses Ausnahmedenkers auseinanderzusetzen. Ganz gemäß Kohrs Philosophie, die stets die Würde und Vernunft des Einzelnen betont, der befähigt ist kreativ zu sein und seinen Willen zu gestalten.
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